Richard Leander
Richard von Volkmann

Translation: Charles L. Cingolani  Copyright © 2019
8.
Auf dem Palatin

Oftmals denke ich jetzt mit deinen Gedanken, Geliebte;
Und so weiss ich, dass du mein in der Ferne gedenkst.
Dass du Gruesse mir taeglich und Wuensche und liebes Erinnern
Sendest, mit kuehlendem Hauch Brust mir und Stirn zu um wehen.
Ja, es begegnet mir oft, dass Pflanzen, Gebaeude und Landschaft,
Oder im Strassenengewuehl Treiben und Sitte des Volke
Pruefenden Sinns ich betrachte mit deinen verstaendigen Augen,
Und dass heimlich mich du, Gute, zum Rechten verweist:
Bis ich ploetzlich mich frage: Bin ich's, der da steht, der da denket?
Nein, sie ist es! So sieht nur und so denket nur sie!--
Doch zur Wende des Tags, wenn von dem verlassenen Huegeln
Einsam nieder ich seh' auf die unendliche Stadt,
Wie von scheidenden Strahl der rasch hinsinkenden Sonne
Hier noch das Tempelgesims, dort noch die Kuppel erglueht,
Bis sich wallender Dunst, wie tausendjaehrige Traeume,
Lagert und Schatten der Nacht ueber das ewige Rom:
Hinter mir stehst du gelehnt und schaust mir ueber die Schulter,
Wie du sooft es daheim mir bei der Arbeit gethan.
Tief aufathme ich dann. Mir ist es, ich reichte dir rueckwaerts
Schweigend die Rechte. Ich fuehl's wie in der deinen sie ruht.
8.
On the Palatine

Often I find myself thinking your thoughts, beloved;
And in that way I know you are thinking of me so far away.
That you send me greetings and well wishes daily and sweet memories,
'tis a cooling breath that hovers over my head and heart.
Yes, I am often aware of plants, of buildings, of landscapes,
Of bustle in the streets, I consider closely the doings and habits
Of others as you see them in your understanding way,
And that in secret you, my dear, show me what is right:
'tis then I suddenly ask myself: Is it I who stands here, is it I who thinks?
No, it is you! Only you see things like this, only you think like this!--
And then, at the end of the day, when from the deserted hill alone
I look at the endless city down below,
And watch the last rays of the fast sinking sun glowing
On the cornice of a temple or on a distant cupola,
As billowing haze like millennial dreams sets in
And shadows of night come over eternal Rome:
Behind me you stand leaning over my shoulder watching,
Like you have done so often when I am at work.
I breathe in deeply then. It is as if I reach my right hand back to you
Wordlessly. I can feel how it rests then in yours.
9.
Mandelbluethe
(Capri)

"Sage, warum du so frueh schon bluehst, o Mandel? Es weht ja
Kalt noch immer der Ost ueber das oede Gefild,
Willst du nicht warten? Es wagt noch nicht sich Veilchen und Primel,
Nicht die Narcisse und noch sich nicht der Grocus hervor.
Schwingt buntschimmernde Fluegel der Lenz dann ueber die Lande,  
Schmueckt mit dem Festlied sich selbst das bescheidenste Kraut:
Ist dir lange verdorrt, du Holde, die reizende Bluethe,
Und nur spaerliches Laub spriesst an dem braunen Geaest."
Und es entgegnete Jene: Was bluehst du, rosiges Maedchen,
Selbst doch so frueh? Vierzehn Jahre, noch zaehlst du sie kaum!
Und doch hat schon Amor, der Gott mit dem goldenen Pfeil, dir
Wie du es bergen auch magst, heimlich das Herzchen beruehrt.
Ach, so sehr er sie sucht, glaub' mir, in der Tiefe der Seele
Hasst er die Schoenheit! Er sucht nur, ein Zerstoerer, sie auf.
Herrlich schmueckt er sie erst, die Erkorene; leuchtender laesst er
Strahlen die Stirne, er laesst purpurner schwellen den Mund.
Alles was Menschen beglueckt, was werth erscheint des Verlangens,
Lust und entzueckende Schaam, schuettet er ueber sie aus:
Doch dann schuert er das Feuer und blaest in die lodernde Flamme,
Bis sie den irdischen Stoff eilend zu Asche verzehrt.--
Und so wirst denn auch dahinbluehen, rosiges Maedchen,
Fruehschnell wird dir dem Lenz folgen der Sommer und Herbst.
Sieh, so gleichest du mir, die du fragst. So lass uns denn beide
Still uns der Gaben erfreun, welche die Goetter bescheert.
Rasch zwar welken sie hin; doch waegt so koestliche Bluethe
Reichlich es auf, schmucklos lange dann einsam zu stehen!


10.
Fruehling im Sueden

Schoen ist im Sueden der Lenz: die Kamelie blueht und der Lorbeer;
Leuchtend wir Edelgestein stehn die Ranunkeln im Gras.
Blaue Glycinien schlingen von Ast sich zu Aste; verschwistert
Klettern am Palmenschaft Rosen und Epheu empor.
Aber das schwellende Gruen des deutschen Fruehlings vermiss' ich,
Das mir die Seele daheim immer mit Ruehrung erfuellt;
Das nach Monden von Eis und dem Flockengestoeber des Winters,
Sich mit erloesender Kraft selig den Knospen entringt.


11.
Vedi Napoli e poi muori!

Ueber die blaue,
Sonnensatte
Meerfluth hin
Gleitet das Boot.
Schmeichelnd klopfen
Den Bug die Wellen,
Und bald dieser bald jener
Neigt es sich schwankend.

Fahrt zu, fahrt zu,
Schiffer von Capri!
In rascherem Takte
Taucht in den Wogenschaum
Die Ruder mir ein!
Singt ein Lied!
Singt, singt!
Denn, vor mir hingegossen,
Da liegt sie,
Gelehnt am Prosilip,
Und schaut sehnsuechtig
Ins Meer hinaus.
Ein wundervolles,
Wonneseliges Weib:
Napoli! Napoli!

Ueber ihr wehen
Pinienfaecher
Im Goldduft.
Herniederschwebt
Ihr vom Haupte
Rankender Wein,
Und zum Meer hinab
Laessig haengt der Fuss;
Die Wogenspitzen
Netzen die Sohle.

Seht, sie winkt!
Liebetrunken
Beide Arme
Breitet sie aus.
Herab von der Schulter
Faellt das Gewand;
Schimmernd hebt sich
Die weisse Brust!

Fahrt zu, fahrt zu!
Lasst das Segel vom Windkuss
Voller doch endlich
Schwellen, ihr Schiffer!

Fast beruehr' ich
Schon ihr die Hand;
Duft und Gluthen
Stroemen herueber:
O, dass ein schaeumender
Wogensturz nun,
Wehenden Wimpels,
Singend uns wuerfe
Ihr in den Schooss!--
Fahrt zu! Fahrt zu!




12.
Siesta in Sorrent

Einer Goettin
Hab' ich vor allen
In Sorrento
Zu Fuessen gelegen;
Denn sie duldet
Nicht, dass aufrecht
Empor zu ihr
Die flehenden Arme
Betend man hebe.

Wenig zuvor
Im uebergeschaeftigen
Treiben des Nordens
Ward von der Goettlichen
Erst mir Kunde.
Kaum den melodischen Klang
Hoert' ich des Namens,
Der schmeichlerisch,
Wie Blaettergelispel
Und Wogengetoen,
Sich in das sterbliche
Ohr stiehlt: Siesta!

Aber dort,
Wo den bluehenden Arm
Weit das Land
Hinaus in den blitzenden Golf streckt;
Und drueben Capri
In goldner Glueckseligkeit
Schwimmt, wie ein durstiger Maerchentraum;
Dort, dort, im daemmernden Hain,
Wo Bluethenfunken
Aus dunklem Geaest
Die Granate sprueht;
Vom Wipfel der Baeume
In gruenen Baechen
Das Rankengewoge
Des Weins sich stuerzt;
O, dort lernt' ich
Die Guetige kennen;
Dort sie verehren
Die Dichterfreundin!
Dankenden Herzens
Hab' ich dort taeglich
Gedankenduefte
Und Liederweihrauch
Als koestlichste Opfer
Ihr dargebracht!

Zur Seite mir knieend
Tiefer dann oft
In das blumendurchwirkte
Pfuehl des Grases
Drueckte mein Haupt sie;
Den goettlichen Arm
Unter den Nacken
Schob sie mir leise,
Und laechelnd frug sie,
Ob ich das Wort auch
Wuesste, das Ajar,
Der ruestige Recke,
Einstmals gesprochen:
Das suesseste Thun
Auf weiter Erde
Sei: Nichts zu denken.

13.
Villa Mattei
(Rom)

O, dass du ihn sehen koenntest,
Diesen liebenswuerd'gen Unfug:
Wie das spriesset, knospet, blueht,
Unaufhaltsam, aller Orten,
Just, als wollt' es noch ganz Rome
Ueberwuchern und bedecken!
Rothe, weisse, gelbe Rosen!
Rothe, weisse, gelbe Roeschen!
Strauss an Strauss gereiht, in schwanken,
Dueftestroemenden Guirlanden, --
G'rad geeignet, sie als Kranz
Um die schoenste Stirn zu winden, --
Haengen sie von Sims und Bogen
Tief herab; den hoechsten Giebel
Stuermen sie; die Baeume koennen
Sich der bluehenden Umarmung
Kaum erwehren; und die alten
Steingehau'nen Heidengoetter,
An Bassin und Treppenwangen,--
Guter Gott, die muessen vollends
Alles sich gefallen lassen;
Und sie thun es gern und willig,
War doch schon in grauer Vorzeit
Schwaeche ihre groesste Staerke,--
Kaum, dass aus der Bluethenwirrniss
Hier und dort ein Glied hervorragt!
O, wenn du das Alles saehest,
Manches wuerdest du entschuld'gen,
Was hier mit mir selber vorgeht,
Manches, manches, Vielgeliebte;
Und begreifen, -- noch viel mehr.
9.
Almond Blossom
(Capri)

"Tell me why you have blossomed so early, almond tree?
The east wind still blows cold over the barren realm,
Would you rather not wait? Violets and primrose have not ventured forth,
Nor the narcissus and not even the crocus.
But spring will soon spread shimmering colorful wings over the land,
And it will deck out the lowliest weeds with festive dress:
Your charming blossom has long been withered, fair creature,
And only sparse green sprouts on your brown branches."
And the answer came: What about your own blossom, ruddy girl,
So early too? Fourteen years, hardly enough to be counted!
But still, Amor, the god with the golden arrow, has already touched
Your heart secretly, in spite of your wish to hide it.
And no matter how much he pursues you, believe me, deep in his soul
He hates beauty! He would have you and be your destroyer too.
Splendidly he adorns her, the chosen one; brighter he lets her
Forehead glow, lets her lips swell a deeper purple.
Everything that makes us happy, whatsoever we might crave,
Lust and blushing shame, he empties out on her:
And then he stokes the fire and blows on the glowing flames,
Until they quickly consume the earthly material in ashes.--
And so will your blossom finally wither and die, ruddy girl,
Summer and fall will fast follow your spring.
Know that you are like me, whom you ask. So let us both then
Enjoy the gifts in stillness the gods have given us.
Quickly, it is true, they wilt away; but such a precious blossom
Makes up generously for having to stand plain and alone for long.


10.
Springtime in the South

Beautiful is springtime in the South: the camellia blossoms and the laurel;
Glowing like precious stone the buttercups stand in grass.
Blue wisteria twines from branch to branch; like sisters
Do roses and ivy climb up on palm tree trunks.
But I miss the swelling green of the German spring,
That always fills my soul with emotion at home;
That after months of ice and drifting snow in winter,
Joyfully wrests itself from buds with bursting strength.


11.
Vedi Napoli a poi muori!

Over blue
Sun-sated
Waters
The boat glides.
Fawningly the waves
Lap against the bow,
And soon this or that one
Curls falteringly.

Onward, onward,
Boatmen of Capri!
In quickened tempo
Dip the oars for me
In the foam of the waves!
Sing a song!
Sing, sing!
For, in front of me, there
She lies,
Leaning on Prosillipo,
Looking out
To the sea longingly.
A wonderful,
Blissfully delighted woman:
Napoli! Napoli!

Over her, sprays of pine
Sway in the scent
Of gold.
Down off her head
Dangle
Grapes on the vine,
And down to the sea
Hangs her foot casually;
The tips of the waves
Wet the sole.

Look, she is beckoning!
Drunk with love
She stretches out
Both arms.
From off her shoulder
Her garment glides;
Glimmering she lifts
Her white breast!

Onward, onward!
And kissed by the wind
Let the sails now
Swell fuller, Boatmen!

I can almost
Touch her hand already;
Scent and splendor
Stream over this way:
O, that a foaming
Crashing wave might
Now hurl us,
With pennants flying,
Into her lap singing!--
Onward!, onward!




12.
Siesta in Sorrento

At the foot
Of a goddess
Did I lie
In Sorrento;
For she did not allow
Anyone
To lift pleading arms
to her
In prayer.

Not long ago
In the bustling ado
Of the North
I first became aware
Of the godly one.
Hardly had I heard
The melodious sound of her name,
That flatteringly
Like the lisp of foliage
And the sound of waves
Steals its way to the
Mortal ear: Siesta!

But there
Where the land reaches out
Its flowering arm far
Into the glistening gulf;
And farther out where Capri
Swims in golden rapture
Like a thirsty dream;
There, there in the dimming grove,
Where pomegranates spew
Sparkling blossoms
From dark branches;
From the treetops
In rivers of green
Do vines
Cascade down;
O, there did I meet
Benevolence herself;
There did I pay honor
To the friend of poets!
With grateful heart
Did I bring to her daily
The scent of thought
And the incense of song
As a most precious
Offering!

Kneeling now at my side
Often lowering herself now
In the cushion of grass
Studded with flowers
Did she touch my head;
Gently did she lay
That godly arm
Around my neck,
And smiling ask
If I knew the saying
That Ajar,
The stalwart knight,
Had first spoken:
The sweetest pursuit
In all the world
is: to think nothing.

13.
Villa Mattei
(Rome)

O that you might see it,
This lovable roguery:
How it sprouts, buds, blossoms,
Inexorably, everywhere,
Just as if it would overgrow
And cover all of Rome!
Red, white and yellow roses!
Little red, white and yellow roses!
Lined bunch upon bunch, in swaying
Perfume dispensing garlands,--
Perfectly suited to be wound
As crown around the most beautiful head,--
They hang down from ledge and arch
They adorn the highest
Gables; trees can hardly fend off
Their blossoming embrace;
And the old
Pagan gods chiseled in stone,
At the ponds and staircases,--
Good Lord, they must cope
with all of that;
And they do it gladly and willingly,
'twas from time immemorial that
Weakness was their greatest strength,--
Hardly can an object protrude here and there,
Out of the confusion of blossoms!
O, if you could see all of that,
You would excuse many a thing,
That here inside me is taking place,
Many, many a thing, dearly beloved;
And understand, -- even much more.
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